22.07.08

Haben Märchen und Geschichten immer noch einen positiven Einfluss auf Kinder?

Ich persönlich arbeite gerne mit Märchen.
Sie enthalten elementare Gefühlswelten, klare Strukturen, eine ausgereifte Dramaturgie und vielfältige Möglichkeit zur Identifikation.

Grundsätzlich sind sich Pädagogen und Erzieher einig, dass gerade das Vorlesen wertvolle gemeinsame Zeit von Erwachsenen und Kindern ist. Und gerade auch dieser soziologische Aspekt ist nicht zu vernachlässigen.

Matthias Winter

Inwiefern ist Theaterpädagogik für Unternehmen eine Alternative zu herkömmlichen Schulungen?

Der Ausführung meiner Antwort möchte ich einen grundlegenden Gedanken voranstellen:

Theaterpädagogik umfasst mehr als nur ein bestimmtes Methodenrepertoire zu bedienen. Der Theaterpädagoge unterscheidet sich vom Sozialpädagogen und Schauspiellehrer ebenso wie vom Regisseur oder Lehrer für Darstellendes Spiel. In unserer Disziplin laufen die Kennzeichen verschiedener kultureller Errungenschaften zusammen und bilden daraus etwas neues.
Wenn ich also beauftragt werde beispielsweise eine Teamentwicklung durchzuführen, so kommt es mir zuerst darauf an zu erfragen: „Ist eine künstlerische Arbeit gewünscht?" Denn das ist eines der Kern-zeichen der Theaterpädagogik: die Auseinandersetzung und auch die Reibung mit und an einem künstlerischen Schaffen - ohne dass damit sogleich großes Theater gemeint sein muss.

Soll ein künstlerisches Projekt angeboten werden, dann finden Themem wie die Stärkung sozialer Strukturen und Kompetenzen, der Ereignischarakter eines (wenn auch kurzen) Projektes sowie das Meistern persönlicher Herausforderungen ihren Platz auf der Liste der guten Gründe dafür. Problematisch sind die dabei die zeitlichen Voraussetzungen, die ja meist zwei Tage nicht überschreiten, und damit einer gründlichen Arbeit im Wege stehen.

Ist ein „pures Training" also ein zielgerichteter Arbeitsprozess zu konkreten Fragestellungen gemeint, ist es schwer mit der Kunst, denn die kennt nur den offenen Ausgang.
Was ich in solchen Fälle sehr wohl zu leisten vermag, und meist auch auf der Linie der Anfrage liegt, ist auf das Repertoire der Theaterpädagogik und meine Kompetenzen als Anleiter in (die Teilnehmer) persönlich betreffenden Prozessen zurückzugreifen.
In diesem Sinne kann ich ein Trainingskonzept erstellen und durchführen, das den Teilnehmern bestimmte Entwicklungschancen, Reflexionsmöglichkeiten und Erfahrungsfelder zur Verfügung stellt. Dem Prozess liegen aber andere Positionen und Bedingungen zugrunde als einem Theaterpädagogischen Projekt. Und das fordert im Umkehrschluss auch ein erweitertes Methodenrepertoire sowie z.T. zusätzliche Kompetenzen.

Matthias Winter

Frage: Wie kann man Theaterpädagogok als Gewalt-präventive oder integrative Maßnahme einsetzen?

Theaterspiel an sich beinhaltet viele Lernfelder, die gewaltpräventiv / integrativ einzustufen sind: Kommunikation, Ausdruck, Entscheidungsprozesse, Rollenfindung, Empathie, etc. und schließlich das Spielen selbst. Allgemein kann künstlerische Betätigung in einer Gruppe, egal ob bildend, musizierend oder darstellend als förderlich für den Erwerb der sog. Sozialen Kompetenzen und geeignetes Setting zur Integration betrachtet werden, weil es immer um individuellen übersprachlichen Ausdruck und Austausch geht.

Darüberhinaus können zahlreiche theaterpädagogische Übungen auf zu lernendes Verhalten aufmerksam machen und eigene Ansichten, Denk- & Handlungsweisen spiegeln. 
Hier ist die Grenze zur Sozialpädagogik fließend.

Wenn das Angebot eher einen Seminarcharakter haben soll, dann würde ich es nicht mehr theaterpädagogisch nennen, sondern als Arbeit mit Elementen der Theaterpädagogik; schließlich geht es nicht mehr primär um einen künstlerischen Vorgang,und das ist eines der Merkmale theaterpädagogischer Arbeit.

Matthias Winter, Theaterpädagogik & Gewaltprävention, Hamburg

Frage: Ist Theaterpädagogik mehr Therapie als Kunst?


Wer eine Therapie wünscht, der geht zum Therapeuten und wer Theater (spielen) möchte der geht zum Theater (pädagogen), da gibt es kein Vertun. Zwar sagt man vom Theater-Spielen ganz richtig dass "Ausdruck heilt", das würde ich aber eher unter dem Aspekt des Gesund-Bleibens als dem des Gesund-Werdens verstehen.

Es ist ein Prinzip der Theaterpädagogik, Erfahrungsfelder zu generieren, die es den Teilnehmern erlauben in Begegnung mit sich selbst, Eigenheiten, Stärken, Ansichten, Denkmustern etc. zu kommen. Immer mit dem Ziel des künstlerischen Ausdrucks und der Mitteilung. Dass man dabei etwas lernen und u.U. Impulse und Perspektiven zur Veränderung finden kann, liegt auf der Hand.

Im Gegensatz zur Therapie ist die Fragestellung der Arbeit aber nicht: "Warum bin ich so, ist das gut so, wie kann ich etwas ändern", sondern es geht darum, mit seiner Person einen Ausdruck zu finden, evtl. persönliches in eine Stoffentwicklung einfließen zu lassen und vorhandene Stärken und Eigenheiten in der Darstellung zu nutzen. 
Alles persönliche bekommt so eine Richtung ins allgemein Gültige. Und das ist ja ein Prinzip der Kunst. Dass der Künstler aus seinem Innern schöpft und "was er findet" dann in einer bestimmten (künstlerischen) Form nach Außen transportiert.

Eine Therapie hingegen beinhaltet ja meist den Wunsch nach Veränderung, das aktive Hinsehen auf und Hinterfragen des Ist-Zustandes sowie die Entwicklung von Perspektiven und Verständnismodellen.
Dies kann durch theatrale Methoden angeregt werden und ein Stück weit auch in einem theaterpädagogischen Prozess geschehen, verbleibt aber in der Hand der Teilnehmer.
Wenn sich aus solchen Erfahrungen akuter Beratungsbedarf ergibt, dann sollte immer ein therapeutisch versierter Gesprächspartner aufgesucht werden.
Eine Verbindung beider Elemente findet man in der Theatertherapie.


Matthias Winter, Theaterpädagogik

Über die Ausbildung in Theaterpädagogik

Die Theaterpädagogik ist als eigenständige Disziplin in Fort- & Ausbildungen sowie grundständigen und Aufbaustudiengängen zu erlernen.

*Fortbildungen in Theaterpädagogik

Die meisten Fortbildungen in Theaterpädagogik richten sich an Menschen, die in ihrem ersten Beruf Elemente der Theaterpädagogik und / oder Theaterspiel einsetzen wllen. Klassischerweise sind das Soziale Berufsgruppen, oder Berufe aus der Darstellenden Kunst; vermehrt aber auch Personaltrainer und Ausbilder.


*Ausbildungen in Theaterpädagogik

Ausbildungen in Theaterpädagogik (3-4 Jahre in Vollzeit) gibt es in Deutschland nur sehr vereinzelt. Sie richten sich an vorwiegend junge Menschen, die eine praxisbezogene, theatral - künstlerische Ausbildung einem Studium vorziehen.

*Studiengänge Theaterpädagogik
finden sich als Bachelor- und Masterstudiengänge an Fachhochschulen und Universitäten.

An zahlreichen Pädagogischen Hochschulen (PH) und Unis werden Elemente der Theaterpädagogik im Nebenfach angeboten. Dies kann aber eine umfassende künstlerische Ausbildung nicht ersetzen.

Näheres auch in meinem Ratgeber zur Ausbildung Theaterpädagogik

Matthias Winter, Theaterpädagogik in Hamburg

Fragen kostet nichts

Vor kurzem habe ich mich in ein Forum eingetragen, in dem ich Fragen zum Themenkreis Theaterpädagogik beantworte.

Hier entsteht nun unter der Rubrik "Fragen kostet nichts" ein Backup aller Antworten.

Matthias Winter

Frage: Ab welchem Alter können Kinder mit dem Theaterspielen anfangen?

Das natürliche Spiel der Kinder ist ein Nachspielen von Erlebnissen und Beobachtungen an der (Um-) Welt. Im Theaterspiel findet im Prinzip das Gleiche statt, mit dem Unterschied, dass die Geschehnisse verdichtet und ausgedeutet in einer stilisierten Form auf die Bühne gebracht werden.


Theater mit Kindern bewegt sich vom natürlichen "Nachspielen" hin zum in Form und Inhalt festgelegten "Vorspielen"


M.E. ist es für jüngere Kinder nicht sehr ertragreich, wenn sie Text auswendig aufsagen und Handlungen nach Anweisung des Spielleiters wiedergeben, ohne selbst an deren Findung beteiligt gewesen zu sein.
Insofern würde ich die Frage so beantworten:

Kinder können in jedem Alter nach verabredeten Rahmenbdingungen und durch einen (Theater-) Pädagogen geführt in eine Spielwelt eintauchen. Im Laufe der Zeit lässt sich daraus eine assoziativ zusammenhängende Geschichte finden, die man auch vorspielen kann. Mit zunehmendem Alter können auch mehr Anforderungen an die Kinder gestellt werden, bis hin zur Erarbeitung eines bestehenden Theaterstücks.
Als für jüngere Kinder erfolgreich hat sich die Methode des Jeux dramatiques herausgestellt. Den Kindern bleibt ein großer Freiraum, assoziativ zu Spielen und sie sind nicht durch fertige Formen wie Text, Bühnenbild oder Kostüm eingeschränkt. In welchen konkreten Alter nun was mit den Kindern gamcht werden kann, wird vor allem von den Kindern und dem/der Theaterpädagogen/in abhängig sein. Prinzipiell können alle Kinder darauf vorbereitet werden und davon provitieren, spielend für andere eine Geschichte zu erzählen.

Matthias Winter, Hamburg